... der schönste deines lebens zu werden.
ihr wisst schon, mein lieblingsspruch, von mark twain. und doch, so oft geht ein tag vorbei, ohne nach diesem so einfachen satz zu leben. so oft gibt mensch den falschen dingen den vorrang, so oft werden nebensächlichkeiten zur hauptsorge und unwichtiges zu wichtig genommen.
und dann wird von einer minute auf die andere das leben umgestaltet, und du wirst vorher nicht gefragt ...
es sollte ein tolles wochenende werden, das letzte im august. schon zum vierten mal treffen mit den mädels von bikerinnen.net, das sogenannte GDT (GesamtDeutschlandTreffen), in frielendorf am silbersee. und obwohl die anreise am donnerstag über 400 km im strömenden regen nicht unbedingt witzig war, zeigten sich alle gut gelaunt und fröhlich. von diesem wochenende wollte ich gern hier im blog berichten. von unserer gemeinsamen motorradtour am samstag, die zur "wasserkuppe" führen sollte, von der zickenfreien fröhlichkeit, die ich jedes jahr wieder bestaune und bewundere. das sollte mein blogbeitrag für woche 35 werden. doch erstens kommt es anders, und zweitens als man denkt ...
freitag abend zum grillbufett am schützenhaus in leimsfeld. vor dem essen noch ein gruppenfoto:
wenige minuten später war für mich das treffen zu ende. ohne jegliche vorwarnung (nur so ein doofes gefühl) verdrehte ich die augen, fiel bewusstlos zusammen, krampfte, lief blau an und kam erst wieder zu mir, als ich von einer notärztin behandelt wurde. erste wirklich bewusste wahrnehmungen kann ich erst von dem moment an erinnern, als ich im krankenhaus im bett lag, mein bruder neben mir sitzend und mir geschichten erzählend. bis dahin nur bruchstücke:
eine hand streichelt mein gesicht, mama sagt: alles wird gut, mein schatz, alles wird gut. warum sagt sie das?
oh, ich bin in leimsfeld. es ist gutes wetter. warum bin ich hier?
mein bruder sagt: ich fahre mit. wohin fährt er mit? wo will er hin?
im krankenhaus realisiere ich langsam, dass etwas passiert sein muss. aber was? wieso habe ich braunülen in den händen? wieso bekomme ich eine infusion? was macht mein bruder gerd hier? wieso bin ich an die geräte angeschlossen?
in den nächsten tagen erfahre ich unendlich viel liebe von meiner familie. mein bruder martin kommt zu besuch. dann wache ich auf, und petra sitzt lächelnd an meinem bett. auch lothar schaut rein. und immer wieder meine eltern, mama, papa. immer wieder sind sie da. sie schicken mir mein enkelkind, um mir eine freude zu bereiten. sie kaufen mir leggins und t-shirt, weil ich nur für ein bikerwochenende ausgerüstet war. und die mädels kommen zu besuch. samstag früh gleich die vera. samstag abend nach der tour die gesamte gruppe, und sonntag morgen wieder die vera. danke mädels! anja bringt mein motorrad zu meinen eltern. und sie besucht mich mit ihrem mann in der kommenden woche erneut. schön, das gefühl, nie alleine zu sein.
und in mir der gedanke, dass es mir unendlich leid tut, für so viel trubel und aufregung gesorgt zu haben, euch allen einen so großen schreck bereitet zu haben. ich selbst habe ja nichts mitbekommen ...
nun weiß ich es aber. getestet wird auf epilepsie. ct, langzeit-ekg, blutuntersuchungen, ständig blutdruck- und zuckermessungen. dann verlegung vom kreiskrankenhaus in die neurologische fachklinik hephata. dort weitere untersuchungen, nochmals ekg, langzeit-eeg, belastungs-eeg (mit schlafentzug und lichtprovokationen).
ich hatte einen epileptischen anfall, fachbegriff "generalisierter tonisch-klonischer anfall". meine wirren gedanken hierzu musste ich erst sortieren. epilepsie bedeutete für mich bis dato (weil absolut uninformiert) eine art ständiger behinderung. in hephata lernte ich menschen mit den verschiedensten formen der epilepsie kennen. manchmal waren sie jahrelang ohne anfall, manchmal häuften sich diese innerhalb weniger monate. unberechenbar. epileptiker dürfen keine maschinen führen, kein auto oder motorrad fahren, bevor sie nicht mindestens ein jahr anfallsfrei waren. bei christiane zeigten sich die anfälle in unkontrollierten verkrampfungen im wachzustand, also bei vollem bewusstsein. ulli´s epilepsie-attacken dauern immer nur wenige minuten, in denen er reglos verkrampft vor sich hinstarrt und für einen moment die welt nicht wahrnimmt. wenn er in diesem moment ein auto fahren würde ...
aber der gedanke, dass ich nicht auto und motorrad fahren darf ...
in meinem kopf herrscht ein wirbelsturm. wie soll ich zur arbeit kommen? nein, dort fahren keine öffentlichen verkehrsmittel hin. ich würde meinen job verlieren. wie soll ich zum tanzen nach itzehoe kommen? wie zum campingplatz nach dänemark. irgendwie erscheint mir alles in diesem moment nur noch zum heulen.
und wenn die fahrverbotszeit anfallsfrei verlief, dann kann doch niemand sagen, ob nicht bereits am nächsten tag der nächste anfall ansteht. was also, wenn ein jahr lang alles gut geht, und dann plötzlich ...
von christiane will ich wissen, wie sie mit der angst lebt. wie ihre familie mit all dem umgeht. ihre antwort ist so verblüffend einfach und ich schäme mich für mein verzweifeltes selbstmitleid:
zwischen den anfällen lebst du ganz normal, weil es ja ein ganz normales leben ist. und deine familie und freunde sorgen im falle eines anfalls dafür, dass du ihn gut überstehst und dich nicht verletzt. damit du danach wieder ganz normal fröhlich dein leben leben kannst. die anfälle machen nur einen bruchteil deines lebens aus. darauf darfst du deine zeit nicht mit sorgen verschwenden.
puh, wenn das so einfach wäre.
alle testergebnisse ergeben, dass keine nervenveränderungen bei mir vorliegen. es ist durchaus möglich, dass dieser "grand mal" eine ausnahme war und sich nicht wiederholen wird. letztendlich wurde mir ein fahrverbot von sechs monaten ausgesprochen. und in dieser zeit sollen weitere eeg-untersuchungen gemacht werden.
während der woche in der klinik habe ich viele gespräche geführt, viel neues gelernt, viel nachgedacht, viel gejammert, aber auch ein neues gefühl von dankbarkeit entwickelt. und ich habe kreuzworträtsel gelöst. kürzlich habe ich eine definition von optimismus gelesen: ein optimist ist, wer kreuzworträtsel und sudoku sofort mit kugelschreiber ausfüllt. papa hat mir einen kugelschreiber geschenkt ...
Liebe Jutta,
AntwortenLöschender Spruch von Mark Twain gehört auch zu meinen Lieblingssprüchen. Und noch einer ist gut und wichtig: "Carpe diem" - Nutze den Tag! Wie Du schon schreibst, kann morgen schon alles anders sein. Toll, wie Du das Ereingis verarbeitest, es klingt tatsächlich optimistisch. Und genau deshalb, weil Du so denkst und schreibst, wird auch wirklich alles gut werden. Ich wünsche Dir alles Gute ...
Liebe Grüße von Birgit
Jutta, och wußte es schon immer, du bist ein Stehaufmännchen. Eines das man einfach nicht umschubsen kann! *anstubs* Wünsche dir weiterhin den Optimismus, dann s.o. wird alles gut werden.
AntwortenLöschenMein Spruch, den ich auch schon sehr lange sehr gern habe: Heute ist ein ganz besonderer Tag! Er ist der erste Tag vomn Rest deines Lebens... Ein sehr positiver Spruch, der oft mißverstanden wird...
Liebe Grüße
Angie
merci für euren glauben an mich, smile. aber oftmals zeigt sich der optimismus im inneren weitaus kleiner als der nach außen ;-)
AntwortenLöschenLiebe Jutta, Zweifel, sind erlaubt, für kurze Zeit..so lange nämlich, wie das Stehaufmännchen in Schräglage hängt...
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